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Mittwoch, 18. Oktober 2023

Zeh, Juli - Adler und Engel




3 von 5 Sternen



Durchwachsenes Debut von Juli Zeh


Max ist am Boden zerstört und befindet sich in einer tiefen Krise. Während eines Telefonats hat sich seine Freundin Jessie selbst umgebracht. Max wirft seinen Job als gut bezahlter Jurist hin. Einzige Ansprechpartnerin für ihn ist Clara, eine Radiomoderatorin, die sich (aus selbstsüchtigen Gründen) für den Fall interessiert. Sie will den Suizid und seine Folgen für Max im Rahmen ihrer Diplomarbeit behandeln. Darum geht es in dem Debutroman „Adler und Engel“ von Juli Zeh. Ein Werk mit einem deprimierenden Grundton.

 

Max konsumiert Kokain, irrt nachts durch die Straßen. Sein Verhalten ist höchst selbstzerstörerisch. Gegenüber Clara schildert er seine Beziehung zu Jessie. Er fertigt Tonbandaufnahmen an und blickt zurück in die schmerzhafte Vergangenheit. Max berichtet z.B., wie er Jessie im Internat kennen gelernt hat und beschreibt ihre gegenseitigen Annäherungen. Und Jessie ist kein Unschuldslamm, ihr Vater ist kriminell, sie dealt mit Drogen. Erst durch sie wird Max in den Drogensumpf hineingezogen. Und die Beziehung zu ihr verläuft alles andere als einfach. Mit seinem attraktiven Mitbewohner Shershah hat Max starke Konkurrenz. Und die Dreiecksbeziehung sorgt für Unfrieden.

 

Auf mich wirkte Max sehr leidensfähig und gleichzeitig blauäugig, Jessie macht die ganze Zeit einen sehr unnahbaren Eindruck. Es ist keine harmonische Liebesbeziehung zwischen den beiden. Sie leben unbedarft zusammen, der Konsum und der Verkauf von Drogen macht ihnen nichts aus. Trotz seiner Drogenprobleme wird Max später ein erfolgreicher Jurist mit großem Improvisationstalent. Doch Jessie vereinsamt. Max ist selten zu Hause. Noch dazu steigert sie sich in Ängste hinein, sie wirkt ab einem gewissen Zeitpunkt regelrecht psychotisch.

 

Beim Lesen hat die Schilderung der vergangenen Handlung den größeren Reiz auf mich ausgeübt, weniger die Darstellung der gegenwärtigen Handlung um Clara. Mich hat vor allem interessiert, zu erfahren, was Jessie zu ihrem Suizid veranlasst hat und ob Max aus seinem Loch herausfindet. Kann er sich selbst therapieren, wenn er mit Clara die Vergangenheit aufarbeitet? Wie entwickelt sich die Dreiecksbeziehung zwischen Max, Jessie und Shershah weiter? Diese Fragen erregten bei mir Neugier und bewegten mich zum Weiterlesen.

 

Es gab allerdings auch Aspekte an dem Roman, die mir nicht so zugesagt haben. Die Dialogführung z.B. konnte mich oft nicht so recht überzeugen. Die Gespräche zwischen den Figuren wirkten auf mich an vielen Stellen unnatürlich, künstlich. Im letzten Drittel wurde mir der Inhalt des Buchs zu unwirklich und verschwommen, zu wenig greifbar. Das Gelesene erreichte mich nicht mehr richtig, meine Neugier nahm ab. Aber das mag anderen Leser:innen anders ergehen.

 

Das Buch ist sicherlich für solche Leser:innen geeignet, die sich für die Schilderung einer problematischen, krisenhaften Beziehung zwischen zwei gebrochenen Charakteren interessieren, die eine Abwärtsspirale durchlaufen. Es ist kein Buch, das für gute Laune sorgt. Der Inhalt kann sicherlich von einigen als belastend empfunden werden, vor allem was das selbstzerstörerische Verhalten der Figuren angeht. Darauf sollte man sich also einstellen. Von mir gibt es 3 Sterne.


1 Kommentar:

Volker Kaiser hat gesagt…

Das klingt alles sehr traurig und deprimierend. So kenne ich Juli Zeh gar nicht. Ich nehme an, dass Shershah der im 2. Absatz erwähnte attraktive Mitbewohner in der WG ist. Wenn dem so ist, wäre es nicht sinnvoll gewesen, schon hier seinen Namen zu erwähnen? VG

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