Durchwachsenes Debut von Juli Zeh
Max
ist am Boden zerstört und befindet sich in einer tiefen Krise. Während eines
Telefonats hat sich seine Freundin Jessie selbst umgebracht. Max wirft seinen
Job als gut bezahlter Jurist hin. Einzige Ansprechpartnerin für ihn ist Clara,
eine Radiomoderatorin, die sich (aus selbstsüchtigen Gründen) für den Fall
interessiert. Sie will den Suizid und seine Folgen für Max im Rahmen ihrer
Diplomarbeit behandeln. Darum geht es in dem Debutroman „Adler und Engel“ von
Juli Zeh. Ein Werk mit einem deprimierenden Grundton.
Max
konsumiert Kokain, irrt nachts durch die Straßen. Sein Verhalten ist höchst
selbstzerstörerisch. Gegenüber Clara schildert er seine Beziehung zu Jessie. Er
fertigt Tonbandaufnahmen an und blickt zurück in die schmerzhafte Vergangenheit.
Max berichtet z.B., wie er Jessie im Internat kennen gelernt hat und beschreibt
ihre gegenseitigen Annäherungen. Und Jessie ist kein Unschuldslamm, ihr Vater ist
kriminell, sie dealt mit Drogen. Erst durch sie wird Max in den Drogensumpf
hineingezogen. Und die Beziehung zu ihr verläuft alles andere als einfach. Mit
seinem attraktiven Mitbewohner Shershah hat Max starke Konkurrenz. Und die
Dreiecksbeziehung sorgt für Unfrieden.
Auf
mich wirkte Max sehr leidensfähig und gleichzeitig blauäugig, Jessie macht die
ganze Zeit einen sehr unnahbaren Eindruck. Es ist keine harmonische
Liebesbeziehung zwischen den beiden. Sie leben unbedarft zusammen, der Konsum
und der Verkauf von Drogen macht ihnen nichts aus. Trotz seiner Drogenprobleme wird
Max später ein erfolgreicher Jurist mit großem Improvisationstalent. Doch
Jessie vereinsamt. Max ist selten zu Hause. Noch dazu steigert sie sich in
Ängste hinein, sie wirkt ab einem gewissen Zeitpunkt regelrecht psychotisch.
Beim
Lesen hat die Schilderung der vergangenen Handlung den größeren Reiz auf mich
ausgeübt, weniger die Darstellung der gegenwärtigen Handlung um Clara. Mich hat
vor allem interessiert, zu erfahren, was Jessie zu ihrem Suizid veranlasst hat
und ob Max aus seinem Loch herausfindet. Kann er sich selbst therapieren, wenn
er mit Clara die Vergangenheit aufarbeitet? Wie entwickelt sich die
Dreiecksbeziehung zwischen Max, Jessie und Shershah weiter? Diese Fragen
erregten bei mir Neugier und bewegten mich zum Weiterlesen.
Es
gab allerdings auch Aspekte an dem Roman, die mir nicht so zugesagt haben. Die
Dialogführung z.B. konnte mich oft nicht so recht überzeugen. Die Gespräche zwischen
den Figuren wirkten auf mich an vielen Stellen unnatürlich, künstlich. Im
letzten Drittel wurde mir der Inhalt des Buchs zu unwirklich und verschwommen, zu
wenig greifbar. Das Gelesene erreichte mich nicht mehr richtig, meine Neugier nahm
ab. Aber das mag anderen Leser:innen anders ergehen.
Das
Buch ist sicherlich für solche Leser:innen geeignet, die sich für die
Schilderung einer problematischen, krisenhaften Beziehung zwischen zwei
gebrochenen Charakteren interessieren, die eine Abwärtsspirale durchlaufen. Es
ist kein Buch, das für gute Laune sorgt. Der Inhalt kann sicherlich von einigen
als belastend empfunden werden, vor allem was das selbstzerstörerische Verhalten
der Figuren angeht. Darauf sollte man sich also einstellen. Von mir gibt es 3
Sterne.
1 Kommentar:
Das klingt alles sehr traurig und deprimierend. So kenne ich Juli Zeh gar nicht. Ich nehme an, dass Shershah der im 2. Absatz erwähnte attraktive Mitbewohner in der WG ist. Wenn dem so ist, wäre es nicht sinnvoll gewesen, schon hier seinen Namen zu erwähnen? VG
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