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Mittwoch, 19. Juli 2023

Morris, Brandon Q - Die letzte Kosmonautin


4 von 5 Sternen


DDR im Jahr 2029


Was wäre, wenn die DDR noch existierte? Und was wäre, wenn die DDR eine eigene Raumstation betriebe und geheime Forschungen anstellte? Um diese Fragen geht es in dem Roman „Die letzte Kosmonautin von Brandon Q Morris, von dem ich bereits viele weitere Bücher gelesen und rezensiert habe („Möbius 1“, „The Hole“, „Enceladus“, „Mars Nation 1“, „Titan“, „Io“, „Die Störung“, vgl. dazu frühere Rezensionen).

 

Was mir direkt sehr positiv aufgefallen ist: Der Autor beschreitet einmal andere Wege. Der Inhalt des Werks steht eigenständig, unabhängig und in sich abgeschlossen für sich. Es ist einmal keine Reihe. Es handelt sich um ein „stand alone“, eine Mischung aus Krimi und Science-Fiction. Und es werden geschickt und spannend zwei Handlungsstränge miteinander verquickt: Auf der einen Seite geht es um das Schicksal von Mandy Neumann auf der Raumstation „Völkerfreundschaft“, auf der anderen Seite geht es um Tobias Wagner, Leutnant der Volkspolizei in Dresden, der einen verschwundenen Physiker sucht.

 

Die kreative alternative Geschichtsschreibung, die der Autor entwirft, finde ich äußerst reizvoll. Die DDR existiert weiter und das sogar als erfolgreicher Staat. Kurios! Und was nach meinem Empfinden besonders gut gelingt, ist, dass das Lebensgefühl in dieser fiktiven DDR gut zum Ausdruck gebracht wird. Im Nachwort weist Morris auf die Doppelzüngigkeit hin, die er dort selbst erlebt hat: „In der Schule war vor allem die Doppelzüngigkeit prägend. In der Schule, vor den Lehrern, sprach man anders als mit Freunden oder in der Familie. Das war normal. Wir wussten es, die Lehrer wussten es, und die, die uns alle beobachtet haben, wussten es auch. Es war eine kleine Welt, in der man am besten durchkam, wenn man sich auf das Private zurückzog.“

 

Auch die Ideen, die der Autor einfließen lässt, um der DDR Modernität einzuhauchen, haben mir gut gefallen. So gibt es z.B. in der DDR von 2029 eine Reisefreiheit, Republikflucht ist als Straftatbestand hinfällig geworden. Trotzdem werden die Bürger weiterhin überwacht und das Leben streng staatlich kontrolliert. Auch die Propaganda zum Sozialismus existiert weiter. Das Bild, das von der modernen DDR gezeichnet wird, hat auf mich einen nachvollziehbaren und glaubwürdigen Eindruck gemacht.

 

Besonders spannend fand ich die Ereignisse auf der Raumstation: Mandy Neumann verliert den Kontakt zur Erde und es ereignen sich verschiedene Unglücksfälle, die schließlich ihr Leben bedrohen. Sie kämpft allein ums Überleben und muss sich auch gegenüber einem Roboter behaupten. Fesselnd!  Auch die Figurenzeichnung ist lobenswert (früher oft einer meiner Kritikpunkte). Besonders Tobias Wagner hat mir gefallen. Er erscheint als unangepasster Staatsdiener, der nicht nur systemkonform und opportunistisch agiert, sondern seine Handlungsspielräume ausnutzt. Gleichzeitig hat er ständig Angst davor, von Vorgesetzten zur Ordnung gerufen zu werden und seinen beruflichen Aufstieg zu verspielen.

 

Das einzige, was ich bemängeln kann: Der Start in den Roman ist etwas schleppend. Es dauert, bis die Handlung „Zugkraft“ entfaltet. Man sollte also etwas Geduld mitbringen. Und auch das Ende war mir zu abgedreht. Aus diesem Grund ziehe ich einen Stern ab. 4 Sterne von mir!

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