Drum prüfe, wer sich ewig bindet…
Puh, ich gebe zu, das Buch hat mich nicht kalt gelassen. Wie könnte es
auch? Bei dieser Thematik. Caroline Schmitt schildert in ihrem Roman
„Liebewesen“ eine Liebesgeschichte, die tragischer nicht sein könnte. Und bei
der Lektüre hat sich bei mir eigentlich ein Gefühl breit gemacht: Wut! Und zwar
Wut auf Lio und Max, die völlig gedanken- und verantwortungslos agieren. Beide
leben locker, lässig, studentisch unbeschwert, in meinen Augen vor allem
oberflächlich.
Der Umgangston der beiden ist geprägt von einer dauerhaften Ironie,
Gespräche werden zu ironisch gefärbten Schlagabtauschen, eine seltsame
Beziehung, die die beiden führen, eine Beziehung ohne Tiefgang, zwar mit viel
Gefühl und Lust auf Sex sowie jeder Menge Partyleben, aber sonst ist da nicht
viel zwischen beiden, vor allem nichts Ernsthaftes. Beiden geht es vor allem um
eines: Spaß! Das war zumindest mein Eindruck bei der Lektüre dieses Buchs. Und
wenn man die Konsequenzen bedenkt, die dann vor allem Lio trägt, so kann ich
nur mit dem Kopf schütteln und verspüre abermals Wut.
Auch auf Max war ich wütend. Sein Verhalten gegenüber Lio ist in
meinen Augen völlig daneben. Er agiert absolut egoistisch und
verantwortungslos. Und das Lio sich das von ihm gefallen lässt, ohne ihn damit
zu konfrontieren, was ist das bitte für eine Partnerschaft? Der
Entscheidungsfindungsprozess von Lio lässt mich ebenfalls fassungslos zurück.
Hier hätte man in meinen Augen inhaltlich viel mehr problematisieren können. Und
ich wundere mich dann doch über andere Rezensionen zu diesem Buch (aber das ist
ein anderes Thema. Vielleicht habe ich das Buch ja auch nicht richtig
verstanden).
Problematisch finde ich auch eine Aussage aus der Umschlaginnenseite
des Buchs. Ich zitiere: „Vor allem aber erzählt sie (die Autorin, Anm. d.
Verf.) die Geschichte einer großen Befreiung.“ Diese Formulierung kann man auch
missverstehen. Wenn man bedenkt, welche Entscheidung Lio trifft, so würde ich
hier bestimmt nicht von einer „Befreiung“ sprechen. Oder heißt Befreiung etwa,
dass man das Recht auf Verantwortungslosigkeit hat, ohne die Konsequenzen
seines Handelns zu bedenken? Und noch etwas, das mich bei der Vermarktung
dieses Buchs irritiert. So heißt es im Klappentext: „Ein sprachgewaltiges Debüt
über die Abgründe unausgesprochener Traumata.“ Meiner Meinung nach werden diese
Traumata viel zu oberflächlich thematisiert. Und sollen die Traumata dann eine
Rechtfertigung dafür sein, sich gedanken- und verantwortungslos verhalten zu
dürfen? Zu den Figuren heißt es dann in einem weiteren Zitat auf dem
Klappentext: „Seine Figuren sind angedetscht und überfordert und tapfer und
hoffnungsvoll, kurz: Sie sind wie wir.“ Also ich bin auf jeden Fall nicht so
wie die Protagonisten, kann mich auch nicht mit ihnen identifizieren und die
Beschreibungen halte ich für fragwürdig (aber wie gesagt: Vielleicht habe ich
das Buch auch nicht verstanden).
Fazit:
In meinen Augen birgt dieses Buch vielmehr Zündstoff, als ihm
bisher zuteil wurde. Es gibt sehr viele Aspekte, an denen man sich „reiben“
kann. Mich wundert sehr, dass man sich in anderen Rezensionen so wenig kritisch
mit dem Inhalt auseinandersetzt. Was die schriftstellerische Qualität angeht,
gibt es an diesem Werk nichts auszusetzen. Der Stil ist eingängig, die Seiten
fliegen so dahin. Doch was mir missfällt oder was ich nicht verstehe, das ist
die Vermarktung des Inhalts. Das was auf dem Klappentext oder in der
Umschlagseite aus dem Buch gemacht wird, geht in meinen Augen völlig daneben.
Und das wundert mich doch. Auch das Cover ist mir ein Rätsel: In welchem Bezug
steht es zum Inhalt? Ich stoße mit meiner Interpretationskompetenz hier an
Grenzen. Oder geht es dem Verlag doch nur darum, Aufmerksamkeit um jeden Preis
zu erzielen? Ich vergebe 3 Sterne, und zwar wegen des unpassenden Marketings
und weil es stellenweise doch zu oberflächlich ist, was die Autorin vorlegt. Ich
hätte mir noch mehr Problematisierung an manchen Stellen gewünscht.
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