Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 5. März 2023

Eschbach, Andreas - Der schlauste Mann der Welt


5 von 5 Sternen


Ein moderner Oblomow


Eschbach auf Abwegen? Keine Science-Fiction? Kann das gut gehen? Es kann. Was Eschbach schreibt, liest sich einfach gut. Da bildet sein neuestes Werk „Der schlaueste Mann der Welt“ keine Ausnahme. Im Gegenteil. Ich finde es großartig, dass Eschbach einmal die betretenen Pfade verlässt. Er entwirft einen ungewöhnlichen Ich-Erzähler, der sehr amüsant aus seinem Leben berichtet und mich als Leser sofort vereinnahmt hat. Der Erzähler bezeichnet sich selbst als faul, pflegt zugleich aber einen sehr ausschweifenden, luxuriösen Lebensstil und er eröffnet dem Leser, dass er nur noch 10 Tage zu leben hat. Und das erzeugt natürlich sofort Interesse. Wie kann sich ein fauler Mensch einen solchen Luxus leisten? Warum lebt er nur noch 10 Tage? Und schon ist das Interesse geweckt, weiterzulesen. Zu interessant ist das, was dargeboten wird.

 

Die Kapitel werden countdownartig heruntergezählt und wir begleiten den Erzähler gleichzeitig auf der gegenwärtig erzählten Handlungsebene bei seinem Schreibprozess. Er verfasst in entwaffnender Ehrlichkeit eine Art Erinnerungstagebuch und berichtet einige Anekdoten aus seinem Leben, und das durchgängig amüsant und beschwingt. Während der Lektüre musste ich permanent schmunzeln. Es ist einfach herrlich absurd, wie Jens  die Faulheit zur Tugend erklärt und dabei im Luxus schwelgt. Er ist sozusagen ein moderner, reiselustiger und vagabundierender Oblomow oder eine Art Hans im Glück, der seinen Goldklumpen nicht hergeben will. Fantastisch! Die Schilderungen des Reichtums kommen märchenhaft daher. Und man ist als Leser fasziniert von seinem Lebensstil und manchmal auch ein wenig neidisch.

 

Jens ist oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort und profitiert von den Gelegenheiten, die sich ihm bieten. So manövriert ihn das Schicksal durch ein turbulentes Leben. Ein schlechtes Gewissen kennt er nicht, er kostet die Momente aus und verfolgt sein Ziel, reich zu werden und sein zukünftiges Leben in Luxushotels zu verbringen, sogar mit krimineller Energie. Hier kamen mir Assoziationen zu Frank Abagnale (Catch me if you can). Ein wenig paradox erscheint es auch, wie naiv der Ich-Erzähler durch die Welt tapst und doch stets erfolgszuversichtlich ist, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Seine berechnende Art traut man ihm gar nicht zu. Und was mir noch gut gefallen hat: Auch die sprachliche Seite des Romans ist gut gestaltet worden. Eine gewisse Affektiertheit kann man bei Jens nicht von der Hand weisen. Sein sorgloses Leben in Saus und Braus schlägt sich auch in der Sprache nieder. Jens ist weltläufig, redegewandt und lebenserfahren, stellenweise auch einmal selbstgefällig und prahlerisch.

 

Nicht zuletzt werden in diesem Buch auch einige existenzielle Fragen aufgeworfen: Lohnt sich Arbeit noch ab einem gewissen Reichtum? Ab wann stellt sich der Mensch auf Müßiggang ein? Woher beziehen Millionäre ihre Motivationen weiterzumachen und sich nicht der Faulheit hinzugeben? Es lohnt sich tatsächlich einmal darüber nachzudenken. Und natürlich enthält das Buch auch noch einen schönen, humorvollen Seitenhieb aufs Finanzsystem (auch das in der Schweiz), auf die Banken und auf schweizerische Privatbankiers. Herrlich!

 

Fazit

Eschbach kann nicht nur Science-Fiction. In diesem Buch geht es amüsant und humorvoll zu. Ein außergewöhnlicher Ich-Erzähler, der hier sein Leben niederschreibt und den Leser sofort für sich vereinnahmt. Die Lektüre macht Spaß, und das auf verschiedenen Ebenen. Jens Leunich kommt als moderner Oblomow daher. Ein tolles Buch, sehr kurzweilig, absolut empfehlenswert. Von mir gibt es 5 Sterne.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen