Ein moderner Oblomow
Eschbach auf Abwegen? Keine Science-Fiction? Kann das gut gehen? Es
kann. Was Eschbach schreibt, liest sich einfach gut. Da bildet sein neuestes
Werk „Der schlaueste Mann der Welt“ keine Ausnahme. Im Gegenteil. Ich finde es
großartig, dass Eschbach einmal die betretenen Pfade verlässt. Er entwirft
einen ungewöhnlichen Ich-Erzähler, der sehr amüsant aus seinem Leben berichtet
und mich als Leser sofort vereinnahmt hat. Der Erzähler bezeichnet sich selbst
als faul, pflegt zugleich aber einen sehr ausschweifenden, luxuriösen
Lebensstil und er eröffnet dem Leser, dass er nur noch 10 Tage zu leben hat.
Und das erzeugt natürlich sofort Interesse. Wie kann sich ein fauler Mensch
einen solchen Luxus leisten? Warum lebt er nur noch 10 Tage? Und schon ist das
Interesse geweckt, weiterzulesen. Zu interessant ist das, was dargeboten wird.
Die Kapitel werden countdownartig heruntergezählt und wir begleiten
den Erzähler gleichzeitig auf der gegenwärtig erzählten Handlungsebene bei
seinem Schreibprozess. Er verfasst in entwaffnender Ehrlichkeit eine Art
Erinnerungstagebuch und berichtet einige Anekdoten aus seinem Leben, und das durchgängig
amüsant und beschwingt. Während der Lektüre musste ich permanent schmunzeln. Es
ist einfach herrlich absurd, wie Jens
die Faulheit zur Tugend erklärt und dabei im Luxus schwelgt. Er ist sozusagen
ein moderner, reiselustiger und vagabundierender Oblomow oder eine Art Hans im
Glück, der seinen Goldklumpen nicht hergeben will. Fantastisch! Die Schilderungen
des Reichtums kommen märchenhaft daher. Und man ist als Leser fasziniert von
seinem Lebensstil und manchmal auch ein wenig neidisch.
Jens ist oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort und profitiert von
den Gelegenheiten, die sich ihm bieten. So manövriert ihn das Schicksal durch
ein turbulentes Leben. Ein schlechtes Gewissen kennt er nicht, er kostet die
Momente aus und verfolgt sein Ziel, reich zu werden und sein zukünftiges Leben
in Luxushotels zu verbringen, sogar mit krimineller Energie. Hier kamen mir
Assoziationen zu Frank Abagnale (Catch me if you can). Ein wenig paradox
erscheint es auch, wie naiv der Ich-Erzähler durch die Welt tapst und doch stets
erfolgszuversichtlich ist, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Seine berechnende
Art traut man ihm gar nicht zu. Und was mir noch gut gefallen hat: Auch die
sprachliche Seite des Romans ist gut gestaltet worden. Eine gewisse
Affektiertheit kann man bei Jens nicht von der Hand weisen. Sein sorgloses
Leben in Saus und Braus schlägt sich auch in der Sprache nieder. Jens ist
weltläufig, redegewandt und lebenserfahren, stellenweise auch einmal
selbstgefällig und prahlerisch.
Nicht zuletzt werden in diesem Buch auch einige existenzielle Fragen
aufgeworfen: Lohnt sich Arbeit noch ab einem gewissen Reichtum? Ab wann stellt
sich der Mensch auf Müßiggang ein? Woher beziehen Millionäre ihre Motivationen
weiterzumachen und sich nicht der Faulheit hinzugeben? Es lohnt sich
tatsächlich einmal darüber nachzudenken. Und natürlich enthält das Buch auch
noch einen schönen, humorvollen Seitenhieb aufs Finanzsystem (auch das in der
Schweiz), auf die Banken und auf schweizerische Privatbankiers. Herrlich!
Fazit:
Eschbach kann nicht nur Science-Fiction. In diesem Buch geht es
amüsant und humorvoll zu. Ein außergewöhnlicher Ich-Erzähler, der hier sein
Leben niederschreibt und den Leser sofort für sich vereinnahmt. Die Lektüre
macht Spaß, und das auf verschiedenen Ebenen. Jens Leunich kommt als moderner
Oblomow daher. Ein tolles Buch, sehr kurzweilig, absolut empfehlenswert. Von
mir gibt es 5 Sterne.
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