Jugendbuch mit vielen schwierigen Themen
In die Handlung des Jugendbuch-Thrillers „The truth behind your lies“
von Silke Heimes findet man recht zügig hinein. Auf der einen Seite haben wir
Jan, der wie ein Nerd wirkt und einen Racheplan schmiedet, und auf der anderen
Seite haben wir eine fünfköpfige Clique, in der wir als Leser v.a. Emmys
Perspektive begleiten. Sie machen zusammen Urlaub in einer Ferienhütte in den
Bergen, die Jan zuvor mit Kameras ausgestattet hat. Über das anfängliche
Logikloch, warum sich die fünf Freunde in der Hütte ihres Mobbingopfers einquartieren,
muss man großzügig hinwegsehen. Der Rest des Buchs ist durchaus gelungen und
nicht uninteressant. Es werden einige jugendspezifische Themen angesprochen,
die es in sich haben (Ängste, Selbstverletzungen, suizidale Gedanken, sexualisierte
Gewalt, Drogenkonsum, (Cyber)Mobbing). Was die Handlung im Wesentlichen
vorantreibt, sind die folgenden Fragen: Was hat Jan genau vor? Warum tut er
das? Er macht nämlich eigentlich nicht den Eindruck eines klassischen Täters,
dafür wirkt er eigentlich zu empathisch.
Gelungen ist in meinen Augen dann die Darstellung der problematischen
Beziehungsverhältnisse zwischen den einzelnen Heranwachsenden, bei denen man
als Leser auch recht schnell ahnt, dass einige psychische Probleme zutage
treten werden. Alle haben ihr Päckchen zu tragen. Das (teils toxische)
Zusammenspiel der Clique wird recht authentisch eingefangen und ist gut
ausgearbeitet. Mit echten Freunden scheint man es jedenfalls nicht zu tun zu
haben, wenn man sich das Treiben der Fünf so durchliest. Schon länger scheint
einiges bei ihnen im Argen zu liegen, Gefühle werden nicht offen angesprochen.
Viele Probleme scheinen wie bei einem Eisberg unter der Oberfläche zu liegen.
Das einzige, was ich in diesem Zusammenhang bemängeln kann, ist
Folgendes: Stellenweise hätte ich mir schon gewünscht, dass noch mehr Hintergründe
deutlich werden. Auch zu Jans Mobbing hätte ich mir noch mehr Informationen
gewünscht. Vielleicht hätten dem Buch ein paar mehr Seiten noch gut getan. Dann
wären auch die Randfiguren eventuell weniger blass geraten.
Abschließende Frage: Ist dieses Jugendbuch als Unterrichtslektüre
denkbar? In meinen Augen sollte man als Lehrer:in keine Berührungsängste mit
den oben genannten Themen haben. Das erfordert schon einiges an
Fingerspitzengefühl und ist sicherlich herausfordernd. Lehrer:innen sind
schließlich keine ausgebildeten Psychiater und Psychologen. Man merkt dem Buch
schon an, dass die Autorin hier einen anderen Zugang hat, weil sie selbst als
Ärztin in Psychiatrien gearbeitet hat. Als Lehrer:in sollte man sich z.B. darauf
einstellen, dass das Finale des Buchs schon sehr unter die Haut geht und
mitnimmt. Sensiblere Jugendliche könnten hier in meinen Augen überfordert
werden. Der Verlag Ueberreuter stellt auf seiner Homepage auch
Unterrichtsmaterial zur Verfügung (leider jedoch ohne Erwartungshorizont). Ich
selbst finde, dass das Buch doch zu viele schwierige Themen auf einmal anschneidet.
Fazit:
Ein Jugendbuch, das es thematisch in sich hat. Für mich ist es
insgesamt „too much“, was die Autorin hier alles in das Buch hineinpackt, vor
allem wenn ich an einen Einsatz im Unterricht denke. Das Ende gerät sehr
dramatisch. Hier sehe ich schon auch die Gefahr einer Überforderung von
sensibleren Schüler:innen.
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